Denke ich an Budapest, dann war´s ein köstlich Badefest !

Das Nationalparlament von der Zitadelle Die Julischka, die Julischka,
die kommt aus Budapest,
die hat ein Herz aus Paprika,
macht jeden Tag ein Fest.
Heia, Hussa, .........

Was so verheißungsvoll als Operettenschlager aus der k.u.k-Zeit klingt, ist durchaus plausibel:
Die gute Julischka - so sie denn genug Geld gehabt hat und tagsüber nicht arbeiten musste - konnte nämlich in Budapest nach den Festgelagen tagsüber wunderbar Kraft schöpfen. Beim Spazierengehen an der breiten Donau? In den schönen Cafés? Sicher auch.

Am meisten jedoch an den Stätten, die Budapest als europäische Großstadt einzigartig machen: in den mehr als 123 Thermalquellen, die in dieser Stadt sprudeln und maßgeblich dazu beitragen, dass diese Metropole einen unvergleichlichen Charme als Kur- und Erlebnisstadt hat. Auch Architekturfans kommen dabei auf ihre Kosten. Man kann sich nämlich regelrecht durch die Jahrhunderte durchbaden: von den Türkenbädern aus dem 16. Jahrhundert bis in die modernste Zeit. Gemütliche Wannendümpler kommen genauso auf ihre Kosten wie ehrgeizige Sportschwimmer. Freibadanhänger wie Hallenliebhaber, alle finden in Budapest ihr Dorado, winters wie sommers.

Die Zitadelle bietet einen guter Rundblick über Budapest

Wer sich nicht sofort in die Quellen stürzen, sondern erst mal einen Überblick gewinnen will, sollte sich auf die Zitadelle begeben. Von diesem Aussichtsberg, den man bequem mit dem Bus erreichen kann, hat man einen hervorragenden Ausblick auf das beschauliche alte, von einem Festungswall umsäumte Buda und auf das flache, großstädtische Pest, die sich erst 1873 zur Großstadt Budapest zusammenschlossen.
Die Burg von Buda Schon lange vor den Römern waren beide Donauseiten besiedelt. Die Römer benennen die Garnisonsstadt der Provinz Pannonien nach ihrem wichtigsten Element, dem (Heil)-wasser: der Name Aquincum geht angeblich auf das keltische Ak ink=viel Wasser zurück. Die Blütezeit Budapests war immer auch eine Blütezeit der Bäder. Schon vor der Türkenherrschaft wurden die mittelalterlichen Bäder als wichtige Brennpunkte gesellschaftlichen Lebens ausdrücklich erwähnt. Der Königspalast war durch einen überdachten Gang mit dem Racz-Bad, dem Königsbad, verbunden.

Zwischen 1541 und 1686 herrschten die Türken uneingeschränkt über Budapest. Dabei entstanden viele prachtvolle Badehäuser. Die türkische Badekultur erfuhr in Budapest insofern eine Veränderung, als mit Wasser nicht gespart werden musste. Anstatt eines zentralen Schwitzraums gab es mehrere Wasserbecken mit unterschiedlich temperiertem Wasser, denen ein kleiner Schwitzraum angefügt wurde. Anders gesagt, verband sich in den Budapester "fürdös" (1) die türkische mit der römischen Badekultur. Wunderbare Zeugnisse dieser türkischen Badetempel sind das "Rudasbad" und das "Kiralybad" (Königsbad). Das Allerheiligste des Rudasbades ist leider ausschließlich Männern zugänglich. Mich erstaunt, dass dies die Frauen Budapests unwidersprochen hinnehmen - war doch früher dieses Juwel der Türkenzeit auch Frauen zugänglich!

Faszinierendes Badeerlebnis: Das Kiraly-Bad

Frauen sei daher der Besuch des Kiralybades empfohlen, an dem immerhin 3 Mal pro Woche (Dienstag-Donnerstag-Samstag 6.30-18.00) Frauentag ist. Wer Massagen mag und sich vor hart zupackenden Masseurinnen nicht fürchtet, dem sei empfohlen, gleich an der Kasse eine Massage mitzubuchen. Verglichen mit unseren Massagen sind sie sehr günstig. Für mich war der erste Besuch des Kiralybades eine regelrechte Bade-Offenbarung. Das Kiraly liegt in der Fö-Utza, bequem erreichbar mit Bus oder Straßenbahn. Von außen sieht man zunächst das im verblaßten Grün gehaltene Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, das noch auf dem alten, tiefer gelegenen Straßenniveau liegt. Das Personal spricht selten Deutsch, mit Händen und Füßen kann man sich aber trotzdem verständigen und gelangt dann einen Stock höher in die köstlichen, altmodischen Umkleidekabinen. Nur mit dem Handtuch bekleidet begibt man sich die Wendeltreppe hinab und hört dann schon das geheimnisvolle Plätschern und Gurgeln. Neugierig und ehrfürchtig betritt man das Heiligtum : einen kreisrunden Raum, gehüllt in behagliches Dunkel, über dem achteckigen Becken eine uralte türkische Kuppel, durch deren runde Löcher schummriges Tageslicht eintritt. Wer dann splitternackt und selig in diesem Becken auf dem Rücken liegt, nach oben blickt, wohlig seufzend den Stress vom warmen Wasser wegspülen lässt, dem kommt unweigerlich die Assoziation, im Bauch einer gütigen Urmutter zu liegen. Je nach Bedarf geht man in die göz-kamra (keine Angst, es ist keine Gaskammer, sondern der ungarische Ausdruck für Dampfraum) oder in eines der kleineren,heißer temperierten Becken. Ansonsten gibt es für Badenixen nur eine Warnung: diese Bäder machen süchtig! Jeden Tag suchten wir uns ein neues aus, kehrten aber immer wieder euphorisch ins Kiraly zurück. Ein ebenfalls empfehlenswertes, im türkischen Stil modern renoviertes Bad ist das Rac fürdö, das ganz in der Nähe des Rudas Bades unterhalb der Zitadelle liegt. Für Frauen ist es Montag-Mittwoch-Freitag von 6.30 bis 18.00 geöffnet.

Technische Errungenschaften ermöglichten im 19. Jahrhundert tiefere Bohrungen, die weitere wertvolle Quellen im Budapester Raum erschlossen und damit eine weitere Blütezeit der Bäder einleitete. Folge war der Bau des Kaiser-, des Lukas-, des Szechenyi- und des Gellert Bades, Heilbäder, die auch heute noch in vollem Betrieb sind.

Auch die Bäder auf der Margareteninsel sind erst im 19. und 20. Jahrhundert entstanden. Freibadfans kommen hier während des Sommers im "Palatinum" zu Potte. Das große Freibadegelände zieht vor allem junge Leute an und hat ebenfalls Becken mit unterschiedlich temperiertem Wasser.. Meine Freundin Corinne und ich hielten uns im "Aphroditebecken" auf, einem warm temperierten Becken, das überall Sitzbänkchen hatte und in dem passenderweise viele Liebespärchen saßen und schnäbelten. Irgendwann fiel uns auf, dass die jungen ungarischen Frauen durch die Bank Barbiepuppenfiguren hatten, flache Waschbrettbäuche, durchtrainierte, feste Körper, die auch noch braungebrannt waren. Diesem Rätsel wollten wir nachgehen. War das etwa genetisch bedingt? In der Umkleidekabine fragten wir eine junge Ungarin auf Englisch, welche Bewandtnis es mit dieser Körperkultur habe. Die Antwort war ebenso einfach wie mühselig: alle Ungarinnen begeben sich regelmäßig in Fitness-Studios und trainieren hart.
Das Café Müvesz gegenüber der Oper Dermaßen beruhigt über unsere Kugelbäuchlein, aber selig entspannt begaben wir uns in ein Café. Deren gibt es in Budapest viele, aber inzwischen gibt es leider nur noch wenige, wo der alte Charme nicht wegrenoviert ist. Z.B. im Café Müvesz gegenüber der Oper. Dort war zumindest 1998 die Welt noch in Ordnung. Die leicht zerschlissene Eleganz erstrahlte nach 2 Gläsern "Stierblut" in alter Pracht und gefüllt mit einer Auswahl Budapester Kuchen (die Kuchenstücke sind kleiner, dafür kann man dann mehr probieren) geht man der nächsten Herausforderung entgegen: Theater-Konzert-Museumsbesuch ..... oder man probiert sein Glück in einem der Tanzhäuser, einer anderen veritablen Spezialität Budapests.

Budapests Tanzhäuser: wo die Jugend ungarisch tanzt

Eine Freundin hatte mir geraten, in einem der alle 2 Wochen erscheinenden Programmhefte der Stadt Budapest nachzusehen, wann es wo Tanzabende gibt. Ich fand ein englischsprachiges Heft (2) und begab mich eines Abends in ein relativ zentral gelegenes Jugendzentrum in der Nähe des Moskva Ter, in dem "moldavische Tänze" auf dem Programm standen. Das Gebäude war von außen erst mal nicht einladend, ein nüchterner Bau aus den fünfziger oder sechziger Jahren. Innen verschlug es mir aber dann die Sprache: eine Gruppe junger Leute spielte fetzig und hervorragend originale moldavische Tänze, ein Tanzmeister zeigte die Schritte und im Nu wirbelte die Jugend durch den Saal. Heia, hussaa...... mein Tanzpartner konnte Gott sei Dank Englisch und so erfuhr ich, dass die ungarische Jugend nicht gänzlich dem Diskowahn verfallen war, sondern viele regelmäßig in Tanzhäusern die nationalen Volkstänze spielen und lernen.

Es muss nicht immer das Gellert sein

Blick in das Gellertsche Hallenbad Nach dieser Anstrengung ist natürlich am nächsten Tag wieder ein Badeintervall angesagt. Die meisten Touristen besuchen das Gellert. Sollen sie da ruhig hingehen. Dort sprechen die Angestellten Deutsch, alles ist perfekt, aber für meinen Geschmack zu steril renoviert. Der aufwändig renovierte Thermal-Dampfbereich ist natürlich einen Besuch wert, aber der Zauber ist irgendwie dahin. Dazu kommt, dass die Außenanlage als Erlebnisbad umfunktioniert ist. Das hat zur Folge, dass keine Muße, sondern lauter Aktivitätsdrang untermalt von Kindergeschrei vorherrscht. Nichts für mich. Nach einem Mal Gellert besuche ich das weitaus schönere Szechenyibad und finde dort ein weiteres Paradies. Das Szechenyi Fürdö stammt wie das Gellert aus dem 19. Jahrhundert und ist eine der größten Badeanlagen Europas, gelegen mitten in einem schönen Park am Ende der Andrassy Utza auf der Pester Seite. Man gelangt bequem mit der alten U-Bahnlinie dorthin und steigt an der Endhaltestelle Hösök tere aus. Wunderschöne Außenbecken mit unterschiedlichen Temperaturen unter verspielten Brunnen und Innenbecken unter historischem Stuck und Mosaik lassen die Wahl schwer werden. Am besten: sich Zeit nehmen und brav ein Becken nach dem anderen ausprobieren, in diesem Fall mit Badeanzug. (3)

Solchermaßen gestärkt kann man dann auch den Schattenseiten Budapests entgegentreten. Es gibt sehr viel Armut, daher viele Bettler. Das Leben nach der Wende ist für viele unerschwinglich geworden. Das eigene Auto lässt man am besten zuhause und bewegt sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Beim Taxifahren kann man kräftig übers Ohr gehauen werden. Auch die Zigeunergeigen verstehen es, einem das Geld aus der Tasche zu ziehen, wenigstens zu Recht. Vor allem in Buda gibt es einige sehr gute Restaurants mit hervorragenden Musikern. In Buda sei auch das original erhaltene Café Ruszwurm empfohlen, ein entzückendes kleines Juwel aus der Biedermeierzeit.

Wer über die üblichen Sehenswürdigkeiten hinaus noch Zeit und Lust hat, kann mit der Schnellbahn "Szentendre" besuchen, eine hübsche alte Kleinstadt im Norden von Budapest, oder eine Donaufahrt buchen .... oder sich das Buch aus der Reihe "unser Budapest" über die Heilbäder Budapests von Csaba Mesko besorgen und weitere zahllose Möglichkeiten erkunden, sich in das kostbare Nass dieser thermalgesegneten Stadt zu stürzen (4).

(1): Fürdö: ungarisches Wort für "Bad".
(2) ):Name leider vergessen, es ist aber eines der wichtigsten Programmhefte, das alle 2 Wochen erscheint und an jedem Kiosk, aber auch in großen Hotels an der Rezeption wie z.B. dem Hilton an der Fischerbastei erhältlich ist.
(3) für das Kiraly- und Racfürdö braucht man an Frauentagen keinen Badeanzug mitnehmen, in den anderen Bädern ist Badeanzugspflicht.
(4) Der Oberbürgermeister von Budapest hat eine sehr gute Reihe über spezielle Themen herausgegeben, darunter das Büchlein über die Bäder von Csaba Mesko. Die anderen Bände sind über die Kneipen, die Höhlen, die Innenhöfe, die Brücken, über Parks und Wälder ..... von Budapest.