Das Horoskop als alchemistisches Gefäß oder
Die Macht der Selbstverantwortung : Heilung durch Selbsterkenntnis
Meine Auffassung von entwicklungsorientierter und selbstverantwortlicher Astrologie berührt interessanterweise den Existentialismus von Sartre: Wir selbst sind dazu aufgerufen, unserem Leben Sinn und Bedeutung zu verleihen, indem wir (versuchen) uns zu dem entwickeln, der wir sein wollen (sind). Und diese Aufgabe nimmt uns niemand ab - erst recht nicht die Sterne. Sie sind für den Kundigen ein effizienter Spiegel und Hinweis; die Beschreitung und Verwirklichung des Potentials, die Ausdauer und den Willen mit der einhergehenden Verantwortung dem Leben und sich selbst gegenüber muss jeder selbst auf-und einbringen!
Das heißt nichts anderes, als dass wir in gewisser Weise zur Freiheit und zur Entwicklung unserer wahren Individualität "verdammt" sind (Pluto-Uranus). Niemand kann uns unser Leben abnehmen. Wir selbst müssen Antworten, Lebensformen finden, die hoffentlich mit dem übereinstimmen, was an Talenten in uns schlummert. Dies herauszufinden und in die Gesellschaft einzubringen, bedarf wiederum einer gewissen Disziplin im Sinne von Selbstverantwortung (Saturn) und eines gewissen gesellschaftlichen Freiraums (Uranus), die im besten Falle dazu beitragen, C.G. Jungs Definition des freien Willens nachzukommen "Freudig das zu tun, was ich tun muss."
Auf der anderen Seite: Freiheit allein garantiert noch lange nicht, dass wir ein erfülltes Dasein im Sinne unserer inneren Bestimmung erreichen! Fehlt die äußere Freiheit jedoch (fast) völlig, wie in diktatorisch, fundamentalistisch geführten Staaten, wird uns klar, dass Freiheit einen wesentlichen Bestandteil eines menschlichen, selbstbestimmten Lebens bildet. Zumindest für Menschen, die die Inhalte der europäischen Aufklärung im 18. Jahrhundert begreifen und zu schätzen wissen. Aude sapere - Wage zu wissen! Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit (Kant). Oder salopp gesagt: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.
Vor dem Hintergrund des anscheinend undurchdringlichen Zusammenspiels zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen freiem Willen und vorgegebenen Rahmenbedingungen, zwischen Himmel und Erde, zwischen Leben und Tod streiten sich seit Jahrtausenden unterschiedlichste Philosophien, Religionen, Ideologien, Therapien, die alle versuchen, auf die fundamentale Frage "Wer oder was ist der Mensch?" eine befriedigende Antwort zu geben.
Wenn bisweilen der Anspruch der einen oder anderen "Heilslehre" darauf, die allein seligmachende Medizin zu sein, auch nervt - die unterschiedlichste Vielfalt trägt zumindest in den westlichen Ländern dazu bei, eine bunte Gewürzmischung zur Verfügung zu haben, aus der man das individuell Passende rausfiltern oder mischen kann. Solve et coagula (löse und binde) ist schon in der Alchemie die entscheidende Handlung. Und das wie, wann und in welcher Hinsicht und wie lange, ausgeführt vom Alchemisten, sind dafür verantwortlich, ob Blei zu Gold wird oder ob der Versuch zumindest zwischenzeitlich in der Schlacke stecken bleibt.
Bei meiner Suche nach nachhaltigen Werten stieß ich in der Schulzeit auf die Astrologie, die mir bis heute der wichtigste Kompass geblieben ist - gerade auch in ihrer verblüffend nahtlosen Verbindung zu anderen wichtigen Disziplinen wie der Psychologie, Mythologie, Ökologie und Philosophie.
Sei es, um mich selbst oder andere zu verstehen. Sei es, um die wichtigsten Anforderungen der Vergangenheit , der Gegenwart und der nahen Zukunft zu konkretisieren.
Um Missverständnissen vorzubeugen - mit Astrologie ist nicht die oberflächliche Variante der Zeitungshoroskope gemeint, sondern eine Astrologie, die sich in den letzten 30 Jahren in Verbindung mit Psychologie und anderen Disziplinen von einer deterministischen Prognosetechnik weg hin zu einem gleichermaßen differenzierten wie offenen "Mischwesen zwischen Kunst und Wissenschaft" entwickelt hat.
Allein die Beschäftigung mit ihr ist Therapie, weil sie mir schlüssige Anregungen auf fundamentale Fragen gibt:
- Welcher Antrieb gibt mir Motivation, mich in diese Welt zu begeben und in ihr durchzusetzen? (=Aszendent + Mars)
- Welche Spannungsfelder habe ich im Laufe des Lebens zu erleiden, zu erforschen und zu verwandeln? ("schwierige" Aspekte)
- Worin besteht meine Bestimmung? (10. Haus und Saturn)
- Was muss ich berücksichtigen, um privat und beruflich gesehen ein zufriedenes, wenn nicht gar glückliches Dasein zu führen?
Zunehmende Lebenserfahrung zeigt auch die Gefahr einer falsch verstandenen Astrologie. Wissen allein reicht nicht. Wissen um die eigenen Konstellationen ist nie eine Lebensgarantie! Denn Leben ist nicht Stillstand, sondern Prozess, Entwicklung, Wandlung. Das heißt, die anstehenden Energien werden immer wieder aufs Neue durch-und erlebt, erfahren, im Nachhinein verstanden, zugeordnet, aufgeräumt und dadurch integriert, um nach und nach für das eigene Leben fruchtbar zu wirken. Dann erst wird aus sprichwörtlichem "Mist" wertvoller Humus, der das Leben und die eigene Persönlichkeit "düngt".
Erst im Rückblick erkennt man oft die eigentliche Bedeutung wichtiger Personen, Ereignisse, die zum unverwechselbaren Schliff eines jeden Lebens beitragen und den Samen für eine sinnstiftende Zukunft bilden.
Und in dieser Spannung zwischen eigenem Leben, Fühlen, Handeln, Reflexion, Krise, Neuorientierung, neuen Erkenntnissen...entstand mit der Zeit das Konzept "Alchemistische Therapie" als essentieller Teil meiner astrologischen Tätigkeit.
Natürlich bin ich nicht die erste, die diesen Begriff gebraucht. In dem hervorragenden Buch "Glück und Selbstverwirklichung im Horoskop" bezeichnet der bekannte Münchner Astrologe Nikolaus Klein die Astrologie ebenfalls als alchemistisches Werkzeug, mit dem bestenfalls im Laufe des Lebens eine "Veredelung" der eigenen Anlagen gelingen kann. Psychologisch ist dieser Prozess mit der zunehmenden Rücknahme von Proijektionen vergleichbar. Aus der Erkenntnis, dass alles in meinem Leben auch mit mir zu tun hat, kann ich eben nicht einseitig die Schuld den Mitbeteiligten zuschieben. Will ich nicht in alten Mustern steckenbleiben, bin ich dazu aufgefordert, meinen meist unbewussten Anteil anzuerkennen, sprich die dunkle - meist unangenehm empfundene - Seite zu integrieren. Dann erst kann die Veredelung stattfinden: Dunkles, Unbewusstes, das Angst macht, ist in Erkenntnis, Licht überführt worden.
Was heißt eigentlich Therapie?
Wie immer, gibt die Wortetymologie viele interessante Hinweise. Das griechische therapeuo bedeutet eigentlich verehren. Die alten Griechen und Römer verehrten ihre Götter, indem sie ihnen an schönen Plätzen wunderschöne Tempel weihten. Weil sie erkannten und/oder instinktiv wussten, dass in diesen Göttinnen und Göttern archetypische Kräfte wirkten, die das Heil des Kosmos und das Wohlbefinden des persönlichen Lebens symbolisierten und gestalteten. Und sie wussten im Grunde so viel mehr über das Wesen des Menschen als heute! Dass der Mensch ein Mischwesen zwischen Tier und Gott ist, dass es nicht in seinem alleinigen Ermessen steht, ob er glücklich, ob er traurig, ob er intelligent oder dumm bleibt.
Als "zoon politikon" ist er auf ein soziales Ganzes angewiesen, mit dem er sich möglichst identifizieren soll. Und zur Identifikation trug maßgeblich die im alten Griechenland junge Demokratie bei, die es immerhin fertig brachte, dass wenige demokratieliebende Griechen das riesige persische Heer vernichtend schlagen konnten. Das eben von einem despotischen Tyrannen größtenteils fremdbestimmt war und sich nicht aus freiheitsliebenden Bürgern zusammensetzte.
Methode allein ist noch keine Therapie. Therapie ist die Anerkennung und Integration aller Wesenskräfte des Menschen
Neben dieser klaren weltlichen Orientierung und Tüchtigkeit existierte selbstverständlich die Welt der Götter. Ihnen unterstand auch die Heilung, bei der Priester und Ärzte lediglich vermittelnde Funktion hatten. Kranke begaben sich nach Eleusis und zu anderen Mysterienkulten, um in die Geheimnisse und damit in die Gesundung ihrer Seele eingeweiht zu werden. Der Heilschlaf und Initialtraum waren wichtige Bestandteile. Interessanterweise wurde den "Patienten" verboten, über ihre Erlebnisse und Träume zu sprechen. Wie anders heute die jahrelangen Babbelkisten der Psychoanalyse und Gesprächstherapien! Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass genau dieses permanente "Auskotzen" teilweise dazu beiträgt, dass seelische Gesundung erst gar nicht eintreten kann. Dass das Gerede allenfalls das Konto des Analytikers füllt anstatt den "Mist" zu bilden, den die Seele zur Selbstveredelung braucht. Was auf der anderen Seite ja nicht heißt, von sich selbst niemandem etwas zu erzählen! Austausch mit anderen Menschen über berührende Themen ist wichtig, aber ganz wichtig ist, mit wem und wie lange....Reden als Ersatzszenario für entsprechende Einsicht und daraus entstehendes Handeln wirkt lebensverhindernd.
Wir alle werden mehr oder weniger in einer unmündigen sprich nicht optimalen Situation hineingeboren, müssen uns nach und nach seelisch von den Eltern, von der Gesellschaft, von der Schule usw. freistrampeln und unseren eigenen Pfad finden, aus dem heraus vielleicht die Versöhnung mit der Ausgangssituation gelingen kann. Frustrationen gibt es daher in jedem Leben. In unzähligen Heldenmythen wird diese alte Tatsache immer wieder neu erzählt. Zu gewinnen gibt es als wichtigste Belohnung das neue Bewusst-Sein des Helden, das dann auch immer mit einer neuen Seinsform verknüpft ist.
"Mensch, erkenne dich selbst!" lautete eine der wichtigsten Aufforderungen der alten Griechen am Apollontempel zu Delphi. Nur das - in der Astrologie der Sonne entsprechende - Bewusstsein ist letztlich unsterblich "sol invictus". Als Lektüre hierzu seien die Klassiker von Thorwald Dethlefsen und Rüdiger Dahlke empfohlen, "Schicksal als Chance" und "Krankheit als Weg".
Die Auseinandersetzung mit Alchemie und Astrologie brachten mir auch bei, dass alles seine Zeit hat. Dass das "Bei sich Behalten" keinesfalls mit Nicht-Wahrnehmen identisch ist! Auf die Kombination von Wahrnehmung und deren bewusste und unbewusste Verarbeitung (z.B. in Träumen und Tagebüchern) kommt es entscheidend an, in Verbindung mit Erinnerung, Zuordnen und innerem Aufräumen. Sowie gute Freunde, Weggefährten, Gesinnungsgenossen, gute Literatur, sei es fiktionale oder verständliche Fachliteratur.
Diese Faktoren bilden im Grunde die Lebensbasis, das Gefäß der Alchemisten, aus dem die materialistisch Orientierten Gold, die geistig Interessierten den sogenannten Stein des Weisen köcheln wollten. Oder um mit Sartre zu sprechen: Wir alle haben die Freiheit, aus dem etwas zu machen, woraus wir gemacht sind. Packen wir´s an! Eine Garantie auf Gelingen gibt es nicht, aber wer will schon sterben, ohne jemals den Versuch unternommen zu haben, die für ihn wesentlichen Anliegen in die Wirklichkeit zu bringen?! Sind wir nicht dazu schließlich auf die Welt gekommen? Jeder ist letztlich Gralsritter und Heldin in seinem/ihrem eigenen Lebensabenteuer....
Der Mensch ist ein entwicklungsträchtiges Wesen
Wenn ihr hervorbringt, was in euch ist, wird euch dies Hervorgebrachte retten
Wenn ihr nicht hervorbringt, was in euch ist, wird euch dies nicht Hervorgebrachte zerstören.
Ein angebliches Jesus-Zitat aus dem Thomas Evangelium, zitiert aus Dan Burstein, Die Wahrheit über den Da-Vinci-Code
Leben ist eigentlich eine unaufhörliche Geburt. Wenn wir als "Erwachsene" auch körperlich nicht weiterwachsen, bleibt die Anforderung auf geistig-seelischer Ebene bestehen. Das bedeutet jedoch, Altes, nicht mehr Brauchbares loszulassen, alte Einstellungen zu ändern. Und da haben wir im Westen größte Schwierigkeiten! Sind wir doch auf der äußeren Ebene eine ungeheure Akkumulations-Unkultur (hast du was, dann bist du was), die auf der inneren Ebene dementsprechend Verdrängungen schafft. Damit sind seelische Sehnsüchte jedoch nicht aus der Welt geschafft! Die für den Westen typischen Symptome wie Drogensucht, Konsumsucht, Konkurrenzdruck, Gewaltexzesse etc. verdeutlichen den unheilen Zustand der Gesellschaft. Ich will hier übrigens nicht einseitig westliche Gesellschaften und Besitzstreben verurteilen - jede Gesellschaft produziert immer ihr eigenes Unheil. Ich lebe halt hier und kann von daher die Dinge besser benennen.
Wie ungeheuer groß die Sehnsucht der Menschen nach einem sinnvollen Dasein ist, nach der Suche der eigenen inneren Bestimmung, spiegelt sich im Welterfolg von Büchern wie "Der Alchemist" von Paulo Coelho. Es ist auch eine wunderschöne Lektüre für den Einstieg in die Astrologie.
Die im Buch beschriebene "Weltenseele" entspricht astrologisch dem Neptun, unser aller Hintergrund, die von jedem ersehnte und verloren gegangene Einheit, aus dem sich unsere Träume und unser Leben speisen. Mythen und Märchen erzählen es seit Jahrtausenden immer wieder neu und doch in altbewährter Weise: Der Mensch ist selbst Quelle seines inneren und äußeren Reichtums. In der Begegnung mit dem Leben lernt er, sich seiner selbst und seiner Bedürfnisse bewusst zu werden. Insofern sehe ich immer mehr auch den gesellschaftsrelevanten Aspekt einer verantwortlich ausgeübten Astrologie! Alte Sicherheiten, Relikte aus dem Wirtschaftswunder-Deutschland, sind massiv am Zusammenbrechen. Äußere Garantien, die überdies allein nicht glücklich machen, gibt es immer weniger. Das heißt, jeder ist jetzt auch in diesem Land zu vermehrter Selbstverantwortung aufgerufen. Krise im Chinesischen hat auch immer die Bedeutung von Chance!
Es gibt jedoch nicht nur den Menschen - auch Tiere, Pflanzen sind Teil des Kosmos und wollen respektiert und als Teil der Schöpfung integriert werden. Die tiefe Zusammengehörigkeit der Schöpfung ist jedoch vom einseitig vordergründig-und technikfixierten Menschen nachhaltig ge- streckenweise schon zerstört worden.
Esoterik ist keine Flucht in die Innerlichkeit
Verantwortliche Esoterik geht daher über rein innerliche Anliegen hinaus. Als Ökologie der inneren und äußeren Welt will sie auf die verloren gegangene Einheit hinweisen und auf den entsprechenden Handlungsbedarf auf der inneren und äußeren Ebene.
Wer dazu weitere Anregungen sucht, sei auf die sensationelle Arbeit des kanadischen Fotografen Gregory Colbert verwiesen. Seine in Begeisterung und in geduldiger Ehrfurcht entstandenen, real gewachsenen Wirklichkeiten entnommenen Bilder machen eindrücklich klar, dass Kultur und wilde Natur kein unversöhnlicher Widerspruch sein müssen. Eine seiner Internetseite ist www.ashesandsnow.org .
Als Buch über die Gefahr einer einseitig innerlich orientierten Psychologie ist das provokante Buch von dem Psychologen James Hillman zu nennen " 100 Jahre Psychotherapie und der Welt geht´s immer schlechter".
Wie sehr Gewalt und Zerstörung unsere alltägliche Kommunikation im beruflichen und privaten Bereich beherrscht und wie man dem mit einfachen Mitteln entgegensteuern kann, verdeutlicht die eindrucksvolle Arbeit des Therapeuten Marshall Rosenberg. Unter www.gewaltfrei.de und - englischsprachig - www.cnvc.org sind Termine der workshops und weitere Lesetipps zu finden. Als Buch zum unkomplizierten Einstieg empfehle ich "Konflikte lösen durch gewaltfreie Kommunikation" von Marshall Rosenberg, Herder Spektrum.
Ich hoffe, ich konnte Sie ausreichend informieren und vielleicht auch in Ihnen den Zugang und die Neugier zu Ihrer eigenen Lebens-und Sinnsuche etwas öffnen.
Was ich an astrologischen Dienstleistungen anbiete
Eine gute Zeit wünscht Ihnen Karin Hepperle